Worum geht’s?
Brynn Cadogan schien ein perfektes Leben zu führen, bis ihr Verlobter Jem vor zwei Jahren bei einem Amoklauf ums Leben kam. Seitdem lebt sie zurückgezogen und gibt sich der Trauer hin, bis sie herausfindet, dass Jems letzter Gedanke ihr und dem Mount Katahdin galt. Und so beschließt Brynn endlich mit dem Verlust ihres Geliebten abzuschließen und macht sich auf den Weg zum Gipfel des Mount Katahdin. Eine Reise, die nicht nach Plan verlaufen und ihr Leben für immer verändern sollte...
Cassidy Porter hat sich geschworen, niemals einen Menschen an sich heranzulassen. Viel zu sehr fürchtet er, dass er wie sein Vater zum Mörder werden könnte. Abgeschottet von der Zivilisation lebt er in einer Waldhütte am Mount Katahdin, wo er eines Tages einer jungen, entschlossenen Frau auf ihrem Weg zum Gipfel folgt. Dass er dieser Frau nur wenig später das Leben retten und sie in seiner Hütte gesund pflegen sollte, hätte er niemals zu hoffen gewagt. Und noch weniger hatte er damit gerechnet, in genau dieser gebrochenen Seele die Liebe zu finden, die er sich bisher nie erlaubt hatte. Doch kann diese Liebe eine Zukunft haben, wenn das Blut eines Vergewaltigers und Serienmörders in seinen Adern fließt?
Meine Meinung:
In ihrer Heimat ist die US-amerikanische Autorin Katy Regnery keine Unbekannte: dort sie hat bereits zahlreiche Liebesromane, darunter die „Heart of Montana“-Reihe, veröffentlicht. Mit dem Einzelband „Loveless“ legt sie nun ihr deutschsprachiges Debüt vor, das hierzulande ausschließlich als eBook bei LYX.digital erscheint. Nach der vielversprechenden, hochemotionalen Leseprobe war ich überglücklich, dass ich das Buch noch vor dem Erscheinungsdatum lesen und mich mit anderen LeserInnen der Lesejury austauschen durfte. Dafür bereits vorab vielen Dank!
Die Geschichte wird abwechselnd aus der Perspektive der beiden Protagonisten erzählt, sodass ich mich von Anfang an in die Gedanken und Gefühle von Brynn und Cassidy hineinversetzen konnte. Brynn ist eine sensible junge Frau, die nach dem ebenso plötzlichen wie tragischen Tod ihres Verlobten ihr Leben wie in Trance verbringt. Insgeheim sehnt sie sich danach wieder lieben zu können und vielleicht eines Tages ebenso geliebt zu werden. Als sie herausfindet, dass der letzte Gedanke ihres Verlobten ihr und dem Mount Katahdin galt, schöpft sie Hoffnung, endlich mit diesem tragischen Ereignis abschließen zu können. Von der ersten Seite an ist ihre Trauer greifbar und vor allem nachvollziehbar dargestellt. Es fühlte sich beinahe so an, als würde man einer Freundin dabei zusehen, wie sie sich selbst ins Leben zurückkämpft, ohne ihr dabei helfen zu können.
Cassidy lebt ebenso zurückgezogen wie Brynn, wenn auch aus anderen Beweggründen. Als sein Vater, mit dem er nur traumatische Erinnerungen verbindet, als Vergewaltiger und Mörder verurteilt wurde, flüchtete er sich im Kindesalter mit seiner Mutter in die Einsamkeit des Waldes am Mount Katahdin. Seine Mutter, die sich von diesem Prozess nie wieder erholen sollte, eröffnete Cassidy, dass auch er die Gene eines Mörders und damit das Böse in sich trägt. Und so glaubt Cassidy, dass es für alle besser ist, wenn er sein Leben allein in der Wildnis von Maine verbringt. Auch er sehnt sich verständlicherweise insgeheim nach Geselligkeit, weshalb er sich gelegentlich das Beobachten der Wanderer auf dem Mount Katahdin gestattet. Doch als er die verletzte Brynn bei sich aufnimmt, wird sein enthaltsames Leben auf eine harte Probe gestellt.
Wie man schon früh an den Hintergründen der Protagonisten erkennen kann, wird in diesem Liebesroman nicht mit Tragik und Emotionen gegeizt. Beide Figuren haben schwere Zeiten überstanden und sich für ein Leben in Isolation entschieden, was nun durch Brynns Verletzung unterbrochen und von beiden hinterfragt wird. Ich hatte aufgrund der gelungenen ersten Kapitel und der ungewöhnlichen Ausgangssituation hohe Erwartungen an dieses Buch, die anfangs noch erfüllt werden konnten. Brynn und Cassidy sind sich vom Moment ihrer Begegnung an sympathisch, die Chemie stimmt einfach zwischen den beiden. Das sorgt für einige liebenswürdige Szenen, die auch über kleinere Störmomente und Ungereimtheiten in der Handlung hinwegsehen lassen. Dennoch ging es mir insgesamt einfach zu schnell mit den Gefühlen, die sich für meinen Geschmack in Anbetracht der Vorgeschichte bei beiden eigentlich nur langsam entwickeln dürften.
Insgesamt ist das Erzähltempo eine der großen Schwächen des Buches. Anfangs dachte ich, dass es vielleicht am unkomplizierten Schreibstil liegen könnte, der sich angenehm liest und dafür sorgt, dass die Seiten nur so dahinfliegen. Allerdings stellte ich im späteren Verlauf fest, dass viele Szenen im Ergebnis zu kurz abgehandelt werden. Da beide Figuren noch sehr in der Vergangenheit leben, hatte ich schon erwartet, dass Erinnerungen daran einen großen Teil des Buches einnehmen würden. Leider können diese wiederkehrenden Flashbacks nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der Gegenwart eigentlich zu wenig geschieht, was die schnelle Annäherung der beiden Protagonisten rechtfertigen könnte. Und so werden die Tage, die Brynn in Cassidys Hütte verbringt, nur im Schnelldurchlauf erzählt.
Damit geht leider auch einher, dass die beiden keinen Raum haben, um sich persönlich weiterzuentwickeln. Der schüchterne Cassidy kann seine zurückhaltende Art nie vollständig ablegen, was ihn unscheinbarer wirken lässt, als er von Brynn beschrieben wird. Natürlich ist er unglaublich gutaussehend und verhält sich ihr gegenüber stets höflich, aber er lässt ihre Nähe nie ganz zu. Es fiel mir daher schwer, Brynns emotionale Bindung zu ihm nachzuvollziehen. Darüber hinaus wirkte Brynn selbst stellenweise unglaubwürdig, was einerseits an einigen eher unreifen Verhaltensweisen, andererseits an der fehlenden Reflexion ihrer früheren Beziehung lag. Ich konnte mir gerade nach diesem emotionalen Anfang nicht vorstellen, warum sie augenblicklich ihre Trauer vergessen und nur noch Augen für Cassidy haben sollte, der für sie in Wahrheit ja ein völlig Fremder ist. Ihre Gedanken und Gefühle wirken daher sehr oberflächlich und sind nie tieferer Natur, was ich als sehr schade empfunden habe.
Nach diesem starken Anfang und zunehmend schwächer werdenden Verlauf hoffte ich daher auf ein packendes, emotionales Ende, das mich über die zu plötzliche Liebe der Protagonisten hinwegsehen lassen würde. Niemals hätte ich mir erträumt, dass die Handlung noch um ein Vielfaches an Tragik überboten werden könnte. Die letzten 20% des Buches nimmt eine Wendung ein, die nur als unglückliche Anhäufung von Zufällen bezeichnet werden kann. Natürlich werde ich nicht verraten, was sich die Autorin überlegt hat, um ihre LeserInnen am Ende noch einmal zu überraschen. Aber für mich war diese Wendung einfach derart unglaubwürdig, dass sie mich nicht nur überrascht, sondern buchstäblich abgeschreckt hat. Das liegt vorwiegend daran, dass die Autorin hier zu meiner Meinung nach fragwürdigen wissenschaftlichen Theorien zumindest indirekt Stellung bezieht, nachrangig aber auch an der sich häufenden Zahl von Klischees, die eher den Beigeschmack einer Seifenoper als den eines großen Liebesromans mit sich trugen. Dadurch hat mich das Ende trotz filmreifer Dramaturgie emotional nicht mitreißen können und ließ mich mit gemischten Gefühlen zurück.
Fazit:
„Loveless“ hätte das Zeug zum Liebesroman des Jahres gehabt. Die vielversprechende Ausgangssituation und die gebrochenen, sensiblen Protagonisten hätten mit einer leisen, tiefgründigen Geschichte überzeugen können. Leider kann die Autorin dieses Versprechen nicht einlösen und verspielt wertvolles Potenzial, indem sie sich auf Schlüsselszenen beschränkt und die Annäherung der Protagonisten nur oberflächlich umschreibt. Das meiner Meinung nach hanebüchene Ende und die wachsende Zahl der Klischees machen „Loveless“ leider tatsächlich nur zu „einer“ Liebesgeschichte – durchschnittlich in seiner Umsetzung, ideal für Zwischendurch, aber ohne bleibenden Eindruck. Daher vergebe ich drei von fünf Sternen und werde das Buch vermutlich nicht noch einmal lesen. Trotzdem noch einmal vielen Dank an den LYX-Verlag und an die Lesejury für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!