Gestern Nacht habe ich dieses Buch beendet und ich kann nicht aufhören, darüber nachzudenken. Es gab unendlich viele Dinge, die mir richtig gut gefallen haben und somit wird dies hier eine etwas andere Rezension. Gerne möchte ich euch 10 Gründe aufzählen, die für die Geschichte von Sage sprechen, falls ihr euch noch unsicher seid und einen kleinen Schubs braucht.
1. Es gibt so viele wirklich beeindruckende Charaktere. Unsere Protagonistin Sage leidet unter schlimmen Ängsten, denen in der Geschichte viel Raum geboten wird, ohne dass es überladen wirkt. Luca ist ein unfassbar sympathischer, freundlicher junger Mann mit einem interessanten Berufswunsch, und das komplette Gegenteil eines Badboys ist, was man zunächst annehmen könnte. Er hat so viele coole Facetten an sich, mit denen ich mich gut identifizieren konnte. Beim Lesen dachte ich sehr oft: Cool, ich bin ein bisschen Sage, aber ich bin irgendwie noch mehr Luca. April, Lucas Schwester, ist freundlich, neugierig, und hilfsbereit. Sie hat genug Kohle und geht trotzdem neben dem Studium arbeiten. Und Megan, die beste Freundin von Sage, ist ein bunter, frischer Lichtblick in Sages Leben, der sie punktuell aus der Dunkelheit holen kann und ihr Sicherheit bietet. Was für eine saucoole Frau! Ich liebte die Interaktionen und Dialoge zwischen den Charakteren, es fühlte sich ein bisschen so an, als würde man Zeit mit Freunden verbringen.
2. Ich überlege schon die ganze Zeit, ob es Klischees gab, aber ich kann mich beim besten Willen an keines erinnern. Und wenn doch, empfand ich es nicht als störend. Alle Personen sind authentisch, ebenso ihre Handlungen und Äußerungen, egal wie verrückt sie noch wirken, ich konnte sie stets gut nachvollziehen. Luca ist kein Badboy, Sage kein graues Mäuschen, das gerettet werden muss. Sie ist unfassbar stark und legt Wert darauf, für sich sorgen zu können. Hilfe kann sie nur schwer annehmen und wenn dann nur mit Gegenleistung. Völlig verständlich.
3. Liebliche Familiendynamik. Was Sages Familie betrifft möchte ich nichts verraten, aber Lucas Familie fand ich sehr angenehm und warm. Er behandelt seine Schwester wie ein Gentleman, ohne machomäßig zu wirken beschützt und unterstützt er sie, dennoch fliegen auch mal die Fetzen. Auch seinem Vater und vor allem seiner Stiefmutter Joan gegenüber ist er super herzlich, sodass einem das Herz aufgeht. Und auch hier wirkt es nicht kitschig oder klischeehaft, denn es ist lange nicht alles Gold, was glänzt.
4. Eifersuchtsszenen und Zickereien fehl am Platz! Ich fand es so angenehm, dass Sage nicht eifersüchtig ist oder den Männern in ihrer näheren Umgebung (ich möchte natürlich nicht zu viel verraten) eine Szene macht. Es wird weder ständig thematisiert, wieso wer wann wie handelt, noch diskutieren sich die Personen darüber zu Tode, was aus den Situationen, die sie miteinander erlebten, nun folgen wird. Es ist einfach, wie es ist. Und das macht es so einfach. Sage bleibt ganz bei sich und führt keine endlosen Monologe, in denen sie auf dem Typen rumhackt, wie ich es leider schon oft in anderen Büchern gelesen habe. Auch gibt es zwischen den Mädels keine nervigen Zickereien, obwohl ich das in manchen kleinen Situationen fast schon vermutet hatte.
5. Die Thematik ist spannend, beinhaltet jedoch auch Aspekte menschlicher Abgründe, die zum Teil recht genau geschildert werden (Stichwort Missbrauch) und Sages Vergangenheit betreffen. Daraus resultierten Ängste, die sie seit dem plagen, die natürlich einen großen Einfluss auf ihren Alltag nehmen. Meiner Meinung nach wirkte dies zu keinem Zeitpunkt übertrieben oder großartig bedrückend. Ich fand Sage dabei ziemlich selbstreflektiert und stark. Ihre Ängste waren zwar im gesamten Buch immer wieder Thema, jedoch wurde auch dies nicht ständig zwischen den Personen thematisiert, Austausch darüber und Reaktionen darauf fanden eher auf der nonverbalen Ebene statt und vor allem wurde sie nicht wegen ihrer Ängste oder ihren daraus resultierenden Handlungen verurteilt.
6. Über Vorurteile und Schubladen. Interessant fand ich, dass ich selbst gemerkt habe, wie ich einzelne Charaktere in Schubladen steckte, sei es wegen des sozialen Status oder aufgrund äußerer Merkmale. Recht schnell habe ich mich dabei erwischt, wie ich dachte „Ach guck mal, ganz anders, als du dachtest“. Und das war angenehm, denn leider merkt man manchmal gar nicht, wie schnell man andere Menschen verurteilt. Und ich glaube jeder von uns hat schon mal Sprüche wie „DAS hätte ich dir jetzt gar nicht zugetraut!“ gehört. Auch ich. Und je länger ich darüber nachdenke merke ich, dass keine Person in diesem Buch ist, wie ich sie im ersten Moment eingeschätzt habe. Hut ab, Laura Kneidl! Charakterausarbeitung done right.
7. Der Schreibstil ist locker leicht, gleichzeitig schonungslos ehrlich und intensiv. Zwischen den Zeilen gibt es vieles zu entdecken, was nicht gesagt werden braucht. Ich flog nur so durch die Seiten und wurde ziemlich oft von der Autorin durch thematische Wendungen oder interessante Charakterzüge überrascht. Beeindruckend finde ich, in welchem Ausmaß die Geschichte in mir nachhallt und arbeitet, wie viel ich über einzelne Aspekte nachdenke und was mir alles im Nachhinein klar wird.
8. Diese Emotionen! Leute, dieses Buch hat alles in mir ausgelöst. Es gab so viele Momente, in denen ich laut gelacht habe, aber auch welche, die mich traurig oder sprachlos gemacht haben, mich schockiert haben, für eine Gänsehaut und für Herzrasen sorgten. Ich bin unendlich froh darüber, dass ich es gemeinsam mit Sarah und Jill gelesen habe, sodass ich mich austauschen konnte. Nach dem Lesen habe ich noch ganz viel mit Jill darüber geplaudert, was wirklich gut getan hat. Und wenn ich jetzt dieses Lied höre bekomme ich eine Gänsehaut. Natürlich gab es auch prickelnde Momente, aber sexuelle Handlungen, oder auch Gedanken darüber, haben nicht, wie in manch anderem Buch, irgendwann den dominanten Hauptteil der Handlung ausgemacht.
9. Zwar wurde das offene Ende oft kritisiert, nach einigem Hin- und Hergrübeln komme ich aber zu der Erkenntnis, dass ich es doch gut umgesetzt fand. Natürlich ist es wahnsinnig emotional, krass, heftig. Ich will sofort wissen, wie es weiter geht. Meine erste Reaktion war: NICHT. IHR. ERNST. Daraufhin suchte ich die vermeintlich fehlenden Seiten. Und mittlerweile denke ich, dass es eine gelungene Umsetzung war, die Lust auf die Fortsetzung macht. Es bleibt definitiv in Erinnerung.
10. Auch äußerlich wunderschön. Das soll natürlich nicht mein Hauptargument sein, daher setze ich es ans Ende. Ich finde das Cover unfassbar hübsch und vor allem: es ist kein Gesicht oder generell keine Person drauf! Besonders schön finde ich es, dass sich zwei verschiedene Oberflächen auf der Broschur befinden, denn die blumigen Anteile sind eher matt, die weißen Linien hingegen glatt und glänzend, die Schrift hebt sich sogar haptisch ab. Auch die Farbkombination finde ich passend und geschmackvoll.
Okay, that escalated quickly. Ich wollte mich ja eigentlich kurz halten. Naja. Fun Fact: Zu Beginn hatte ich 7 Gründe, doch plötzlich wurden es während des Schreibens immer mehr.
Berühre mich. Nicht ist schon jetzt ein Jahreshighlight für mich, eine Geschichte, die mich langfristig beeindruckt hat, ein Buch, über das ich noch lange nachdenken werde und das mir positiv in Erinnerung bleiben wird. Ein wahrliches Wohlfühlbuch, das ich sicherlich noch mal lesen werde. Ich liebte so vieles an dem Buch, insbesondere die authentischen Charaktere und die spannende Handlung. Ich kann es allen ans Herz legen, die Lust auf einen besonderen New Adult Roman haben, der ohne Klischees und Eifersuchtsdramen auskommt.