Ich habe mich überraschen lassen, denn schon das Vorwort, ein Brief an die Leser*innen war sehr schön. Sowohl inhaltlich als auch vom Schreibstil her.
Oder wie findet ihr ihn?:
Liebe Leser*in,
wir wissen nicht, wie lange es her ist, dass du das letzte Mal einen Liebesbrief bekommen hast. Vielleicht war es in der Schule von dem Jungen ein paar Tische weiter? Vielleicht war es erst gestern von jemandem, den du seit Jahren liebst – oder von jemandem, dem du noch nicht gesagt hast, was du für ihn empfindest.
Wer auch immer es ist: Wir verstehen dich! In einer Zeit, in der man lernt, seine Gefühle zu verstecken, wenn es das Wichtigste ist, cool und emotional unerreichbar zu sein, in einer Zeit, in der zuzugeben, dass man Gefühle hat und verletzbar ist, als Schwäche ausgelegt wird – genau dann sind wir für dich da!
Wir sind deine Verbündeten.
Denn wir sind die Girls Who Feel Everything.
Egal ob es der schönste, sonnigste Tag ist oder die dunkelste, trostloseste Nacht, in der es unmöglich scheint weiterzumachen – wir waren dort, wir haben es überlebt, und wir haben jede einzige Sekunde davon gefühlt.
Und das ist unser Liebesbrief. An all die Gefühle, an alle tapferen Seelen, die auf ihr Herz hören und keine Angst davor haben, den anderen zu fragen, ob es ihm genauso geht. An die Liebe, die wir nur manchmal wagen zu teilen, und an die Liebe, die wir so oft geheim halten. An all den Schmerz, den die Liebe mit sich bringt, und an all das Glück, das sie so wertvoll macht.
Und am allerwichtigsten: Liebe Leser*in – an dich! Diese Gedichte sind für dich.
Love always,
Brittainy und Kandi
Aufbau:
Aufgrund des englischen Titels habe ich mich einfach mal auf eine Herausforderung eingestellt und gedacht, es wäre komplett auf Englisch. Glücklicherweise (für mich) falsch gedacht:
Es ist so aufgebaut, dass links immer die deutsche Übersetzung steht und rechts der englische Originaltext. Man kann also beliebig hin- und herswitchen und sich eine Zeile auch direkt in der Übersetzung angucken, wenn man daran interessiert ist. Ich habe zum Beispiel meist erst das englische Original gelesen und wenn mir dann eine Zeile unklar war, beim Deutschen abgeschaut:) Man kann aber natürlich auch nur Deutsch oder nur Englisch lesen.
Alle Gedichte tragen eine Überschrift, die es sehr treffend beschreibt, wie ich finde. Vielmehr muss man hier jedoch von einer Unterschrift reden, denn die Überschriften stehen jeweils unter dem Gedicht, was ich sehr schön fand, weil man sich dann vollkommen auf den Text einlassen kann, ohne Vorerwartungen oder Vorgriffe durch die Überschrift zu haben.
Zuletzt wird dann noch durch ein „B“ oder ein „K“ bezeichnet, von wem das jeweilige Gedicht stammte und da muss ich echt sagen, dass ich es nie hätte unterscheiden können. Steiner schreibt ebenso schön wie Cherry und so dürften alle Fans zufrieden sein:) Es wechselt sich dann mehr oder weniger gleichmäßig ab mit den Autorinnen.
Die Gestaltung des Buches ist ansonsten schlicht und praktisch gehalten. Dadurch, dass es gebunden und so klein ist, lässt es sich super mitnehmen, was ich super fand, da es mich immer mal nach einem Gedicht verlangte.
Innen wechseln die Gedichte zwischen zwei Schriftarten. Einmal „normale“ Buchschrift und dann noch eine Schrift, die mehr an Schreibmaschinenbuchstaben erinnert. Beide Schriftarten passen super.
Wer das Buch in der Hand hält, dem wird auffallen, dass es keinen rein weißen Buchschnitt hat. Das liegt daran, dass es ein paar schwarze Seiten gibt, die das Ganze einfach etwas aufpimpen.
Was mir auch sehr gut gefallen hat, waren die Illustrationen, die einige Gedichte und Gedanken begleitet haben. Meistens verzierte Tiere, aber es gab auch abstraktere Ornamente oder Bilder. Es bringt einfach eine Leichtigkeit in das Buch, indem es die weißen Seiten mit schwarzer Schrift manchmal auflockert.
Lebe mutig und ohne dich dafür zu
rechtfertigen,
und suche dir Menschen, die dasselbe tun.“
EINS MEINER LIEBLINGSGEDICHTE NAMENS „UNENTSCHULDIGT“ VON KANDI STEINER AUF SEITE 26.
Jetzt zu den Gedichten:
Ich liebe Gedichte und schreibe auch gerne selbst welche, weil man mit wenigen Worten meist ziemlich viel verarbeiten kann. Jedes Gedicht kann dabei verschieden sein. Verschieden viel erzählen, verschieden viel aussagen, verschieden viel Freiraum für den Leser lassen.
Zu den Gedichten kommen in diesem Buch auch Gedanken der Autorinnen, die natürlich kein Metrum, kein Reimschemata oder was auch immer haben. Ich konnte das beim Lesen aber oft gar nicht richtig trennen, weil ich mich auf jedes Gedicht, jeden Gedanken einfach eingelassen und ihn genossen habe. Es war für mich ein Ganzes. Vielleicht so wie die Autorinnen es benennen: Ein Liebesbrief. Und nicht irgendeiner, sondern einer an mich selbst. Denn genau so soll sich der Leser fühlen und genau so habe ich mich auch gefühlt.
In vielen Gedichten erkennt man sich wieder, sieht sie als Mahnung, fühlt bei ihnen mit oder sie erwecken Hoffnungen, Mut und Liebe bei einem.
Denn jedes Gedicht erzählt seine eigene Geschichte. Es gibt welche mit einigen Zeilen, welche mit vielen Zeilen und auch kleine Zweizeiler, die dennoch aufgrund der Wortauswahl der Autorinnen nicht weniger aussagen.
Sie treffen mit ihren Zeilen oftmals genau das auf den Punkt, was wir aus Liebesromanen oder im wahren Leben lernen. Es geht um eigene Stärke, darum zu lieben und man selbst zu bleiben, darum, aus Schmerz Stärke zu ziehen, zu wissen, wann es besser ist, getrennte Wege zu gehen und darum, sich selbst zu lieben. Ich könnte noch etwas länger so weitermachen:) Natürlich gibt es einige Gedichte, die ungefähr das gleiche Aussagen. Kein Wunder, bei fast 90 Gedichten und Gedanken. Aber sie haben meist ihre ganz eigene Perspektive und sind dadurch dennoch einzigartig. Viele sind durchaus konkret und auch die Erotik, die wir aus Liebesromanen kennen, spielt hier im Schriftlichen eine Rolle.
Dadurch wirkt es aber einfach unheimlich authentisch. Die Autorinnen scheuen sich nicht davor, irgendetwas auszusprechen. Manchmal ist die Wahrheit eben hart, manchmal ist alles so schön, dass man sich wie auf Wolken schwebend fühlt.
Ich habe für diesen Gedichtband einiges an Zeit gebraucht, weil ich sie mir für dieses Buch wirklich genommen habe. In einem ruhigen Moment eins zwei Gedichte oder Gedanken kam mir genau richtig vor.
Jetzt im Nachhinein kann ich sagen, dass es mich sehr beeindruckt hat und dass ich niemals gedacht hätte, dass es ebenso schön sein könnte wie einen Liebesroman zu lesen. Eigentlich noch besser. Dieses Buch erzählt Geschichten. Nur eben viel kompakter, als man es aus der Prosa gewöhnt ist.
Ich kann es nur empfehlen! Jedem, der auch nur über die Liebe nachdenkt, aber natürlich vor allem all den Mädchen und Frauen da draußen, die Liebesroman um Liebesroman wälzen und sich selbst vielleicht zu sehr dabei außen vor lassen. Dieses Büchlein hier berührt den Leser/die Leserin persönlich und das fand ich sehr sehr schön!
Es gibt 5 von 5 Sterne von mir.